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„Wir haben den Laden auf links gedreht“

Der Bochumer Druckdienstleister Niggemeyer Pro Imaging machte sich vor zwei Jahren auf den Weg zur Nachhaltigkeit. Nicht immer war alles einfach – aber heute profitiert die Firma davon. An Finanzinstitute hat Geschäftsführer Roland Niggemeyer einen konkreten Wunsch.  

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Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit: Roland Niggemeyer, Geschäftsführer von Niggemeyer Pro Imaging. Foto: Niggemeyer
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Herr Niggemeyer, XXL-Druckaufträge sind die Spezialität von Niggemeyer Pro Imaging. Sie drucken zum Beispiel Banner und Fassaden-Poster. Wie groß können die Gewebe maximal sein? 

Roland Niggemeyer: Wir haben schon Gebäudeverhüllungen von 5.000 Quadratmetern produziert. Die maximale Breite, die wir auf einer Bahn drucken können, beträgt fünf Meter. Die Länge wird von der Industrie vorgegeben – eine Stoffrolle umfasst meist 150 Meter. Wenn ein Kunde bei uns ein 100 Meter breites und 20 Meter hohes Banner bestellt, drucken wir 20 Bahnen à 5 x 20 Meter und schweißen sie anschließend zu einem Stück zusammen. 

Ihre Großeltern haben den Betrieb als Fotogeschäft gegründet, Ihr Vater hat später ein Fotolabor daraus gemacht. Sie selbst sind in den 1990ern gestartet – mitten in einer großen Transformation. 

Damals gab es den Shift von der analogen zur digitalen Fotografie und vom Foto zum Digitaldruck. Alle Fotolabore mussten sich plötzlich umstellen. Mein Schwager und ich haben aus dem Fachlabor einen Dienstleister für großformatigen Digitaldruck gemacht. Das ist unser Kerngeschäft bis heute. 

Wann kam das Thema nachhaltige Transformation zum ersten Mal auf? 

Das war 2009. Ich erinnere mich an eine Messe, auf der die Vorgabe war, dass alles aus recyclebaren Materialien hergestellt sein musste. Doch dann kam die Finanzkrise und das Thema Nachhaltigkeit war erst mal wieder weg. Erst 2022 wurde es wieder relevant, als EU-Vorhaben wie CSRD und das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz Fahrt aufnahmen.  

Hatten Sie sich da schon auf den Weg gemacht?

Wir hatten 2009 schon angefangen, mit nachhaltigen Materialien zu experimentieren. So richtig los ging es aber erst vor zwei Jahren. Damals boten uns die ersten Stoffhersteller Materialien aus recycelter Vorware an, zum Beispiel aus geschredderten Plastikflaschen. Tinten mit Oeko-Tex-Label kamen auf den Markt. Noch wichtiger war, dass erstmals Kunden nach dem CO2-Fußbadruck für ihre Plakate und Banner fragen. Einige, vor allem aus dem hochwertigen Mode-Segment oder Sport-Bereich, machten Nachhaltigkeitszertifikate sogar zur Auflage.

Welche Herausforderungen mussten Sie dafür bewältigen? 

Wir haben damals ein fünfköpfiges Team gebildet und uns eingelesen. Schnell war klar: Wir wollen uns nach dem Europäischen Umweltmanagement Standard EMAS und der deutschen ISO 14001 zertifizieren lassen. Mir war klar: Dafür brauchen wir jemanden, der uns an die Hand nimmt und durch den Bürokratie-Dschungel führt. Gelandet sind wir schließlich bei einer Agentur aus Würzburg. 

Wie lief der Prozess ab? 

Der ganze Weg dauerte etwas weniger als zwei Jahre, denn schließlich haben wir in erster Linie unser Tagesgeschäft zu bewältigen. Alle zwei Wochen hatten wir ein sogenanntes EMAS-Meeting, in dem wir Aufgaben verteilt haben. Wir haben den ganzen Laden auf links gedreht. Da ging es nicht nur um Material, sondern auch um Dinge wie Lagerung, Arbeitssicherheit, Kennzeichnungen und – last not least – darum, unsere 50 Mitarbeiter mitzunehmen. Die haben dafür alle von uns unter anderem Nachhaltigkeits-Kärtchen bekommen: Was kann ich selbst tun an meinem Arbeitsplatz? Was für Ideen habe ich, um mich in diesem Prozess einzubringen?

Klingt herausfordernd. Wo sehen Sie hinsichtlich der Transformation die größten Chancen?

Die große Chance ist, dass unser Weg von unseren Kunden wertgeschätzt wird. Und dass wir irgendwann eine echte Kreislaufwirtschaft hinbekommen in unserer Branche. Wir haben unseren Kunden von Anfang an davon erzählt. Als die Zertifizierung da war, konnte man das auf unserer Internetseite und in der E-Mail-Signatur nachlesen. Unsere EMAS-Umwelterklärung ist veröffentlicht. Dafür haben wir extrem positives Feedback bekommen. Bis hin zu der Tatsache, dass wir manche Projekte nur dank unseres Engagements in Sachen Nachhaltigkeit gewonnen haben.

Sie spielen auf die Fußball-Europameisterschaft an. Damals hat Niggemeyer für die Uefa-Fanzone in Düsseldorf sämtliche Banner produziert. Wie kam es dazu?

Die Stadt Düsseldorf hatte entschieden, dass die Fanzone-Materialien nach der EM nicht einfach entsorgt und verbrannt werden sollten, sondern weitergenutzt und recycelt. Wir haben ein attraktives Paket geschnürt: Erstens waren unsere Materialien zertifiziert und stammten zu 100 Prozent aus recycelter Ware. Zweitens haben wir der Stadt angeboten, alle Gewebe zurücknehmen und daraus wieder Garn zu machen. Das konnten wir, weil unser Zulieferer mitgemacht hat. So haben wir letztlich den Zuschlag bekommen. 

Spielen Nachhaltigkeitskriterien schon in vielen Ausschreibungen eine Rolle? 

Es wird immer mehr. Ein Beispiel ist die Otto-Gruppe: Die hat sich verpflichtet, bis 2030 CO2-neutral zu sein – das gleiche erwarten sie von ihren Zulieferern. Auch bei Museen und öffentlichen Einrichtungen laufen wir offene Türen ein. Bei anderen wiederum steckt das Thema noch in den Anfängen.  

Was bedeutet die Transformation konkret für Ihr Unternehmen: Betrifft es „nur“ die Materialien oder geht es auch um große Investitionen wie Druckmaschinen? 

Auf Messen sehen wir: Die Maschinen der nächsten Generation werden immer sparsamer bei Tinten- und Energieverbrauch. Und vieles geht in Richtung Wiederverwertung. Wir haben zum Beispiel eine neue Maschine von HP, die sich irgendwann am Ende ihrer Lebenszeit in alle Einzelteile zerlegen lässt – und jedes Teil kann sortenrein verwertet werden. Solche Aspekte sind für mich heute wichtige Entscheidungskriterien, wenn wir neue Maschinen anschaffen. 

Eine neue Druckmaschine kostet gerne mal eine halbe Million Euro. Hat Ihr Unternehmen genügend finanzielle Kapazitäten zur Bewältigung der Transformation?

Lassen wir die Maschinen mal beiseite, denn investieren muss ich ohnehin immer wieder an unterschiedlichen Stellen: Wir brauchen Umweltmanagement-Beauftragte, Schulungen aller Art, Prozessoptimierungen, Digitalisierung etc. Das alles kostet Geld. Und am Ende des Tages sind wir ein Wirtschaftsunternehmen. Deshalb haben wir zum Beispiel die Anschaffung einer Fotovoltaik-Anlage verschoben: 30 Prozent Deckung unseres Energiebedarfs rechnet sich einfach momentan nicht. Aber wo immer es geht, entscheiden wir uns für die nachhaltige Variante. 

Welche Finanzierungsformen oder -pläne haben Sie?

Unsere Finanzierungspartner sind unsere Hausbanken, die Volksbank Bochum Witten zum Beispiel. 2025 steht wieder eine größere Investition an. Es geht um Finanzierungen in den Workflow und eine neue Druckmaschine.

Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich bei der Transformationsfinanzierung konfrontiert?

Bei Banken sehe ich noch nicht, dass sie Unternehmen wie uns auf dem Weg unterstützen. Die Aktivitäten werden wohlwollend zur Kenntnis genommen, aber Nachlässe bei Kreditzinsen, Kontoführungsgebühren oder bei der Haftung sind nicht vorgesehen. Dabei würde es der Sache einen echten Schub geben, wenn ein Finanzinstitut sagte: Wenn ihr noch günstiger an Kredite kommen wollt, müsst ihr zum Beispiel Nachhaltigkeitszertifikate, Prüfungen, anerkannte Siegel etc. nachweisen. 

Fragen die Banken denn aktuell schon nach Nachhaltigkeitskriterien? 

Ich glaube, da entwickelt sich gerade etwas. Hier in Bochum gibt es zum Beispiel die GLS Bank, die das Thema vorantreibt. Wichtig wäre mir als Bank Kunde aber auch, dass die halbe Million, die ich mir von der Bank leihe, selbst aus nachhaltigen Quellen stammen. Denn das kann ich wiederum positiv in meiner Ökobilanz angeben. 

Wie betrifft Sie das Thema Berichtspflichten? 

Uns als kleine Firma aktuell noch nicht. Aber ich merke das bei größeren Unternehmen, für die wir arbeiten. Da kommen jetzt regelmäßig Anfragen, ob wir in der Lage sind, entsprechendes Zahlenmaterial zum Thema CO2-Fußabdruck aufzubereiten. Ich wundere mich eigentlich, dass das noch nicht massiver ist. Spätestens 2026 und folgend, wenn immer mehr Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten offenlegen müssen, wird das ein Riesenthema. Die Prüfer sollten sich schon einmal warm anziehen.

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Zum Unternehmen

Niggemeyer Pro Imaging ist ein Spezialist für die großformatige Bildproduktion. Das Bochumer Unternehmen produziert mit seinen 50 Beschäftigten Außenwerbung im Maximalformat und Stoff-Prints für den Innenbereich, inklusive technischer Konfektion und Weiterverarbeitung und Montage. Jede Woche verlassen Banner der Größe eines Fußballfeldes die Hallen der Firma. Mehr Infos auf www.niggemeyer.de

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Großauftrag EM-Fanzone Düsseldorf: Über 600 Banner wurden dafür von Niggemeyer produziert, vor Ort montiert und nach dem Fußballfest wieder abgebaut. Foto: Niggemeyer
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Familienunternehmen: Niggemeyer Pro Imaging ist ein Bochumer Traditionsbetrieb. Foto: Niggemeyer
Rund eine halbe Million Euro kostet eine der Maschinen, auf denen Niggemeyer druckt. Foto: Niggemeyer

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