Fortschritte in der Digitalisierung und der Umwelttechnik erlauben eine neue technologische Revolution, die wesentlich zur Lösung vieler dringender globale Probleme wie dem Klimawandel beitragen kann. Darüber hinaus hat die Digitalisierung grundlegend neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Die unterschiedlichen Innovationsarten weisen aber auch Unterschiede im Rendite-Risiko-Profil auf, an welches der Finanzierungsmix angepasst werden muss. Fin.Connect.NRW kann dazu beitragen, den richtigen Finanzierer zu finden.
Die klimaneutrale Transformation bringt viele grundlegende Innovationen hervor. Für die Klimaneutralität spiel z.B. Carbon Capture and Storage eine wichtige Rolle. Damit ist das Auffangen von CO2 und die anschließende unterirdische Speicherung des CO2 in ehemaligen Öl- und Gaslagerstätten gemeint. Durch diese Technologie erhalten auch die Industrien mit traditionell hohem CO2-Ausstoß nun technisch die Möglichkeit, klimaneutral im Sinne einer Netto-Null zu produzieren.
Ebenso ist es mit der digitalen Transformation. So beschränkt sich die Datenwirtschaft nicht nur auf große US-amerikanische Technologiekonzerne, wie Google, Apple oder Amazon. Gerade die datengetriebenen Geschäftsmodelle haben großes Potenzial für kleine und mittelständische Unternehmen in NRW. So können selbst kleinere Bäckereien und Außengastronomie auf Basis von georeferenzierten Wetterdaten Umsatzprognosen nutzen, um ihr Angebot zielgenau anzupassen und Ausschuss zu vermeiden. Für viele Unternehmen erlaubt es die Analyse von Kundendaten, frühzeitig neue Trends in den Präferenzen der Kunden zu erkennen. Der stationäre Handel kann mit Hilfe von Sensorik Daten über das Einkaufsverhalten ihrer Kunden erfassen und so z.B. die Effekte von Änderungen in der Produktanordnung auf das Kaufverhalten analysieren. Damit können Händler ermitteln, wie lange Kunden in einem Regal suchen, um die Sortierung der Produkte im Regal basierend auf den generierten Daten zu optimieren. Auch wird häufig übersehen, dass digitale Plattformen, wie beispielsweise Etsy, es Kleinstunternehmen aus dem künstlerischen und handwerklichen Bereich ermöglicht haben, ihre Produkte nicht mehr nur lokal, sondern global anzubieten. Dies sind nur einige Beispiele, die aber verdeutlichen, dass digitale Technologien umfassende Potenziale für Unternehmen jeder Größenklasse und Branche bieten.
Finanzierungsmix richtet sich nach dem Innovationsmodell
Der aktuell schnelle Wandel bringt hohe Wohlfahrtsgewinne mit sich, jedoch fordert er auch ein, dass Unternehmen am Transformationsprozess teilnehmen, um nicht an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Diesem schnellen Wandel können die Unternehmen aber mit unterschiedlichen Arten von Innovationen begegnen. Aus Sicht der Finanzierung unterschieden sich die Innovationsarten durch ihr Rendite-Risiko-Profil:
- Basisinnovationen oder Sprunginnovationen sind Innovationen, die in mehreren Branchen Anwendung finden und bei denen häufig technisches Neuland erschlossen wird. Diese Innovationen ziehen weitere Folgeinnovationen nach sich. Klimafreundlich erzeugter Besonders Wasserstoff kann als Basisinnovationen zur Erreichung der Klimaneutralität angesehen werden. Basisinnovationen stellen für den First Mover hohe Risiken, aber auch hohe Gewinne in Aussicht. Es braucht hierfür Unternehmen, die bereit sind, diese Risiken einzugehen, und entsprechende Investoren, die sich an diesen Risiken beteiligen wollen. Es kann auch vorkommen, dass diese Technologien aufgrund von fehlenden Anfangsrenditen keinen privaten Investor finden, weil die Nutzung in der Breite noch nicht absehbar ist. Für die Adopter, also diejenigen Unternehmen, die diese Basisinnovationen nach und nach in ihrem Unternehmen umsetzen und darauf basierende Geschäftsmodelle entwickeln, die sogenannte Diffusion, ist die Umsetzung weniger riskant und kann auch über den klassischen Bankkredit finanziert werden.
- Disruptive oder radikale Innovationen sind Innovationen, die dazu führen, dass sich der vorhandene Status Quo ändert. Zwar sind Basisinnovationen auch disruptiv, aber nicht alle disruptiven Innovationen sind auch Basisinnovationen, denn diese Innovationen müssen nicht alle Branchen gleichermaßen betreffen. So waren z.B. die Video-on-Demand-Streamingdienste disruptiv für die Märkte für DVDs und Blue Rays, aber nicht für die Filmindustrie, aus deren Sicht sie nur eine Weiterentwicklung bestehender Produkte darstellen. Ähnlich disruptiv ist die Elektromobilität für die ölverarbeitende Industrie sowie die Hersteller von Benzin- und Dieselmotoren. Disruptive Innovationen, neue Geschäftsmodelle und neuartige Formen der Zusammenarbeit können durch die Umstellung auf ressourceneffizientere und zirkulären Produktionssystemen entstehen, da es nicht nur grundlegende Veränderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich macht, sondern auch zu anderen Produkten und Dienstleistungen führen kann. Hier stellt nicht nur die Innovation selbst ein Wagnis dar, sondern es ist auch riskant, wenn Unternehmen sich nicht oder zu spät auf ein sich veränderndes Umfeld einstellen.
- Erhaltende oder inkrementelle Innovationen sind Produkt- oder Prozessverbesserungen. Nicht für alle Unternehmen wird es optimal sein, ein First Mover zu sein und disruptive Innovationen hervorbringen. Vielmehr wird für eine Vielzahl der Unternehmen die Transformationen über Produkt- und Prozessverbesserungen erfolgen, z.B. indem die bestehenden Produkte oder Prozesse digitalisiert werden oder zusätzliche digitale Komponenten erhalten, um Datenerfassung und Datenaustausch möglich zu machen oder klimaneutral zu produzieren. Bei dem Großteil dieser Innovationen kann auf bereits bestehende Finanzierungsinstrumente, wie dem klassischen Bankkredit zurückgegriffen werden. Allerdings muss aufgrund des möglicherweise hohen Investitionsvolumens im Rahmen des Transformationsprozesses darüber nachgedacht werden, wie das Eigenkapital der Banken möglichst effektiv für die Kreditvergabe freigesetzt werden kann, um die Transformation auch für die breite Masse der Unternehmen zu finanzieren.
Für die Finanzierung von Innovationen über die Hausbank spielt es eine Rolle, ob die Innovationen disruptiver oder inkrementeller Natur sind. So stellt der Wechsel einer Zeitung von Print auf Online durchaus ein Wagnis dar, da ein Teil der Bestandskunden die gedruckte Zeitung weiter beziehen möchte und nicht auf Online wechseln möchte. Sofern der Gewinnung neuer Kunden ein Verlust bestehender Kunden gegenübersteht, lassen sich zukünftige Cash-Flows nur schwer prognostizieren. Somit wird einer finanzierenden Bank dieses Risiko trotz langfristiger Erfolgsaussichten in der kurzen Frist möglicherweise zu riskant sein, und sie wird einen höheren Eigenkapitalanteil in der Finanzierung voraussetzen. Das zusätzliche Eigenkapital muss das betreffende Unternehmen dann durch geeignete Investoren aufnehmen. Die Einbeziehung weiterer Eigenkapitalinvestoren in die Bankfinanzierung ist aber auch für Unternehmen relevant, deren Bonität sich durch die Corona-Pandemie oder die Energiekrise verschlechtert hat.
Anders stellt es sich inkrementellen Innovationen dar. Durch zusätzliche digitale Steuerungstechnik und klimafreundlichen Antrieb könnte z.B. eine deutlich verbesserte Maschine entstehen, die sowohl für Bestandskunden als auch für Neukunden interessant wäre. Womöglich wäre die Nachfrage nach diesem Produkt sogar höher, sofern die Käufer mit dieser Maschine ihren CO2-Fußbabruck senken könnten. Hierbei handelt es sich eigentlich um traditionelle Finanzierung mit den gewohnten unternehmerischen Risiken. Gleichzeitig lassen sich aber auch Fördermöglichkeiten, die die wirtschaftspolitischen Ziele der Digitalisierung und der Klimaneutralität anstreben, in der Transformation nutzen. Für die Transformationsfinanzierung spielt somit auch die Risikoteilung zwischen Hausbanken den Förderbanken eine wichtige Rolle.
Neue Herausforderungen in der Finanzierung
Wenn Unternehmen ihre Geschäftsmodelle in Richtung Datenökonomie ausbauen, entstehen möglicherweise neue Herausforderungen in der Finanzierung. Denn es werden möglicherweise keine Maschinen und Anlagen oder Immobilien angeschafft, die als Kreditsicherheit verwendet werden können. Stattdessen müssen die Unternehmen in Humankapital investieren, denn es werden umfangreiche Kenntnisse im Datenschutz und in der Cybersicherheit vorausgesetzt, um eine sichere digitale Vernetzung mit Zulieferern und Kunden mit einem Austausch von Maschinendaten oder personenbezogenen Daten zu gewährleisten. Zudem steigt das operationelle Risiko, z.B. durch Cyberangriffe. Die finanzierende Bank müsste zur Minimierung dieser operationellen Risiken vom Kreditnehmer möglicherweise zusätzliche Investitionen in Cybersicherheit fordern und die Qualität der Cybersicherheit auch bewerten können. Von daher ist es auch richtig, dass das Land NRW die Forschung in den Bereichen KI und Cybersicherheit fördert. Hier sollte aber auch eine stärkere Vernetzung mit der Finanzwirtschaft angestrebt werden, damit diese die operationellen Risiken aus der Digitalisierung besser bewerten kann.
Ähnliche Überlegungen fallen auch beim Thema Klimaneutralität an. Sofern ein Unternehmen in neue klimaneutrale Produktionsanlagen investiert, so fallen möglicherweise in den ersten Jahren geringere Anfangsrenditen an. Möglicherweise ist diese Phase geringer Rentabilität für eine Kreditfinanzierung zu lang, so dass eine zusätzliche Eigenkapitaltranche benötigt wird.
Fin.Connect.NRW verbindet das Hausbankenprinzip mit dem Kapitalmarkt
Für kleinere und mittlere Unternehmen spielt auch in der Transformationsfinanzierung die Hausbankfinanzierung eine herausragende Rolle, da sie weniger Erfahrung mit der Kapitalmarktfinanzierung aufweisen und auch weil sie aufgrund ihrer geringeren Größe und Bekanntheit für den Kapitalmarkt mit höheren Suchkosten zu finden sind als börsennotierte Unternehmen. Das Hausbankprinzip hat besondere Vorteile, denn es reduziert Informationsasymmetrien zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern und erlaubt damit eine günstigere und passgenauere Finanzierung im Vergleich zur eher anonymen Kapitalmarktfinanzierung.
Den Hausbanken kommt in der Transformation eine herausragende Rolle zu, da sie ihre Unternehmen durch lange Geschäftsbeziehungen besser kennen und deren Potenziale und Risiken besser einschätzen können als ein eher kurzfristig orientierter Kapitalmarkt. Letzter kann aber gerade bei der Finanzierung von disruptiven Innovationen höhere Risiken eingehen als Banken, so dass hier eine Vernetzung der verschieden spezialisierten Investoren und Finanzierer zu einem verbesserten Finanzierungsmix für die Unternehmen im Transformationsprozess führen kann.
Fin.Connect.NRW kann dazu beitragen, die Suchkosten zu minimieren, indem es hilft, gerade bei der Transformationsfinanzierung die unterschiedlichen Akteure am Finanzplatz übergreifend zusammenzubringen. Beispielsweise werden Workshops zu aktuellen Themenbereichen ausgerichtet, die oft Ausgangspunkt für weitere Gespräche sind. Informationen werden regelmäßig über die Website und den Newsletter platziert. Künftig könnte überlegt werden, diese Plattform und ihre Informationsangebote weiter auszubauen, was nicht zuletzt für kapitalsuchende Unternehmen und kapitalanbietende Investoren von Interesse sein könnte.