Prior1 aus Sankt Augustin hat sich früh der Nachhaltigkeit verpflichtet: Das Unternehmen plant, baut und betreibt Rechenzentren und Serverräume mit Blick auf CO2-Bilanz und Gemeinwohl. Dafür hat es sich selbst harten Regeln unterworfen.
Sie sind das digitale Herz eines Unternehmens oder einer Behörde: Räume voller „Racks“. In diesen Gestellen befindet sich die IT-Infrastruktur wie Server und Netzwerkkomponenten, über die Daten empfangen, bearbeitet und gesendet werden. Ohne solche Rechenzentren gäbe es keine Smart Industry, keinen Online-Handel, keine künstliche Intelligenz – und weniger CO2-Emissionen. Denn weil sie permanent unter Strom stehen und dabei noch gekühlt werden müssen, zählen Rechenzentren zu den großen Energieschluckern. Rund 19 Milliarden Kilowattstunden haben diese Anlagen 2023 in Deutschland verbraucht, so eine Berechnung des IT-Branchenverbands Bitkom. Das entspricht circa 0,66% des gesamten Energieverbrauchs und fast einem Prozent der Gesamtemissionen in Deutschland.
Prior1 baut die Hülle, der Kunde bringt die Server
Unverzichtbar für die Digitalisierung, aber problematisch in Sachen Klimaschutz: Rechenzentren markieren genau die Schnittstelle der Doppel-Transformation, vor der die Wirtschaft aktuell steht. Diese so nachhaltig zu gestalten wie möglich ist das erklärte Ziel der Prior1 GmbH. Der Mittelständler aus Sankt Augustin plant, errichtet und betreibt Rechenzentren und Serverräume. „Schon früh in der 15-jährigen Firmengeschichte spielte der Gedanke der ökologischen Nachhaltigkeit eine Rolle“, sagt Geschäftsführer Tobias von der Heydt.
Klassischerweise errichtet Prior1 Rechenzentren für Unternehmen und öffentliche Auftraggeber in deren Immobilien. „Wir bauen sozusagen die Garage fürs Auto: also die Hülle für die IT, inklusive aller technischen Anlagen für Stromversorgung, Kühlung oder den Brandschutz“, erklärt von der Heydt. Server und Software steuern Partner oder die Kunden selbst bei. Die Aufträge reichen von kleinen Räumen mit einer Handvoll Serverschränken bis hin zu großen Anlagen mit über 1.000 Quadratmetern Fläche. Oft entstehen ganze Gebäude auf dem Grundstück des Kunden. „Wir haben auch Container und IT-Safes als Miet-Modell“, erklärt von der Heydt. Dabei stellt Prior1 dem Kunden etwa Server-Container zur Verfügung und erhält dafür eine Pauschale für Bereitstellung, Wartung und Betrieb.
Wachstum darf nicht zu Lasten von Nachhaltigkeit gehen
Nachhaltigkeit spiele bei all dem eine große Rolle, bekräftigt Anja Zschäck, Teamkoordinatorin für Marketing und Personal bei Prior1. „Wir berücksichtigen gleichermaßen die ökologische, soziale und ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit.“ Aber was heißt nachhaltiges Wirtschaften beim Bau von Rechenzentren konkret? „Zum einen geht es um das, was wir intern tun. Zum anderen um unsere Lösungen für den Kunden“, erklärt Zschäck. Intern habe man zum Beispiel die Energieversorgung umgestellt. „Wir decken durch unsere Photovoltaikanlagen geschätzt 20 Prozent unseres Strombedarfs selbst. Darüber hinaus haben wir inzwischen mehr als die Hälfte unserer PKW-Flotte elektrifiziert und laden diese mit Öko-Strom“, sagt Zschäck. Beschäftigte, die auf das Firmenauto verzichten wollen, erhalten eine Bahncard 100.
Die andere Seite betrifft die Lösungen des Unternehmens am Markt. „Natürlich lassen sich viele Emissionen oder Ressourcen nicht vermeiden“, erklärt Geschäftsführer von der Heydt. „In Stromversorgungsanlagen stecken zum Beispiel Batterien und viel Kupfer. Wir achten hier auf unsere Lieferanten, haben aber am Ende nur begrenzt Einfluss.“ Bei anderen Aspekten hingegen könne man deutlich mehr erreichen – etwa beim Thema Beratung. „Im Gespräch mit Kunden erleben wir oft, dass Rechenzentren viel zu groß dimensioniert werden“, berichtet von der Heydt. Die Prior1-Berater seien spezialisiert darauf, Kundenwünsche nach „mehr Leistung und mehr Platz“ zu hinterfragen. „Zum einen, weil es eine Ressourcenverschwendung und ineffizient wäre, eine zu große Anlage zu bauen“, erklärt der Rechenzentrum-Experte. Zum anderen, weil eine nicht ausgelastete Anlage auch technisch Probleme bereiten könnte.
„Wir verkaufen einem Kunden nichts, was er nicht braucht“, fasst von der Heydt zusammen. Ein Rechenzentrum laufe schließlich 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. „Da reden wir schnell mal über Leistungen von 100 oder 500 kW bis hin zu Megawatt. Wenn ich durch den Einsatz effizienter Anlagen ein paar Prozent sparen kann, ist das ein riesiger Hebel.“
Umstellung der Kältemittel: Viele Mitarbeiter waren skeptisch
An einem weiteren Hebel zieht Prior1 seit Anfang 2023. Seit knapp zwei Jahren bietet das Unternehmen in allen seinen Projekten ausschließlich Anlagen mit natürlichen Kältemitteln wie Wasser und Propan für die Klimatisierung von IT-Komponenten an. „Auch das hat einen ökologischen Grund“, sagt Anja Zschäck. „Die traditionell eingesetzten, synthetischen Kältemittel tragen aufgrund ihrer hohen CO2-Äquivalente deutlich stärker zur Klimabelastung bei.“ Damit kommt das Unternehmen der europäischen Regulierung, nach der diese klimaschädlichen Substanzen schrittweise verringert und perspektivisch verboten werden sollen, sogar zuvor.
Intern gab es trotzdem zunächst Bedenken, diesen radikalen Schritt zu gehen. Schließlich sind natürliche Kältemittel teurer als synthetische und wegen der technischen Anpassungen mit mehr Planung und Sicherheitsanforderungen verbunden. „Manche Kollegen dachten: Das Produkt, an dem mein Job hängt, wird am Ende kaum noch nachgefragt“, erinnert sich Geschäftsführer von der Heydt. „Am Ende haben wir alle überzeugt und mitgenommen. Und es hat sich gezeigt, dass Kunden bereit sind, in eine klimaschonende Technik zu investieren.“ Heute profitiert Prior1 von seinem Pionierstatus innerhalb der Branche.
Prior1 erstellt regelmäßig eine Gemeinwohlbilanz
Nicht nur beim Image, auch auf der Ebene des Klimaschutzes zahlen sich die Transformations-Anstrengungen von Prior1 aus. Das Unternehmen wächst stabil und arbeitet seit 2018 „CO2-kompensiert“. „Das bedeutet, dass wir alle nicht-vermeidbaren Emissionen kompensieren“, erklärt Marketingleiterin Zschäck. Welche Fortschritte gemacht werden, dokumentiert Prior1 seit 2018 in sogenannten Gemeinwohlbilanzen. „Dabei tragen wir alle Zahlen zusammen, die auf unsere Nachhaltigkeitsaktivitäten einzahlen, und werden dafür von einem externen Auditor geprüft“, sagt Zschäck. Als einziges Unternehmen seiner Branche führt Prior1 zudem das ECOnGOOD-Label – ein Gütesiegel, das soziale, ethische und ökologische Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt.
Und wie finanziert der Mittelständler seine ökologische Transformation? „Wir haben bislang das Glück, keine Finanzierungspartner zu brauchen. Wir finanzieren unsere Projekte im Normalfall selbst“, sagt Geschäftsführer von der Heydt. Im Tagesgeschäft arbeite man ansonsten mit der sozialökologischen GLS Bank, da wir großen Wert darauf legen, dass unsere Partner Aktivitäten in Richtung Nachhaltigkeit wertschätzten“, sagt von der Heydt.
Zum Unternehmen
Prior1 ist auf die Errichtung und den Betrieb von Serverräumen und Rechenzentren spezialisiert. Angefangen hat das Unternehmen 2008 mit einem Team von vier Leuten und einem Büro in Siegburg. Ein paar Jahre kam der Umzug in die heutige Zentrale in Sankt Augustin. Später kamen Standorte im Westerwald, in Kirchheim bei München und Karlsruhe hinzu. Heute hat Prior1 rund 90 Beschäftigte.