Was sind Schuldscheindarlehen?
Schuldscheindarlehen (kurz Schuldscheine oder SSD) stellen eine Sonderform des Darlehens (nach § 488 BGB und § 344 HGB), also ein Instrument zur Fremdkapitalfinanzierung, dar. Neben Unternehmen greifen inzwischen vermehrt auch Kommunen – etwa die Stadt Köln – auf SSD für die Finanzierung größerer Investitionsprojekte zurück. Der Schuldschein kombiniert die langfristige, strukturierte Ausgestaltung und festen Konditionen einer Anleihe mit der individuellen, vertraglichen Flexibilität eines Bankkredits. Dabei zeichnet er sich durch seinen geringen bürokratischen Aufwand aus.
Im Gegensatz zu einer Anleihe handelt es sich bei einem Schuldschein nicht um ein Wertpapier, sondern um eine spezielle Art des Kreditvertrags, bei welcher der Schuldschein die finanzielle Verpflichtung des Schuldners beurkundet und die Krediteigenschaften verbrieft. Entsprechend können Schuldscheine nicht wie eine Anleihe auf dem organisierten Kapitalmarkt gehandelt werden, denn sie sind nicht ohne Weiteres auf einen anderen Gläubiger übertragbar. Zwar existiert ein außerbörslicher Sekundärmarkt, an dem SSD Over-the-Counter vermittelt werden, jedoch ist dieser stark eingeschränkt und nur für größere Schuldscheine vorhanden. Die Verpflichtungen können allerdings vertraglich abgetreten oder übertragen werden.
Anders als ein Bankkredit wird ein Schuldscheindarlehen nicht zwischen Unternehmen und Bank, sondern meist zwischen einem Unternehmen und institutionellen Anlegern (sog. Kapitalsammelstellen) vereinbart. Häufig vermitteln noch Banken als „Arrangeure“ zwischen den Vertragsparteien, diese scheiden jedoch nach Vertragsabschluss aus dem Geschäft aus und übernehmen keine Haftung für die Rückzahlung des Schuldscheins. Die typischen Käufer von SSD sind institutionelle Anleger, welche auf der Suche nach langfristigen, stabilen und risikoarmen Investitionsmöglichkeiten sind, wie zum Beispiel Versicherungen, Vermögensverwalter oder auch Pensions- oder Krankenkassen.
Die Arrangeure syndizieren hierbei im Regelfall das SSD, das heißt, sie vermitteln die Vergabe eines Kredits durch mehrere Kapitalgeber. Das Darlehen wird dabei in Anteile von 50 Tsd. bis 500 Tsd. EUR gestückelt, wodurch eine Vielzahl an Investoren beteiligt und das Ausfallrisiko für den einzelnen Investor gesenkt werden kann. Je nach Ausgestaltung kann auch eine unterschiedliche Rangfolge der Gläubiger vereinbart werden, so dass einzelne Gläubiger höhere Risiken tragen. Nach der Rückzahlung wird der Schuldschein mit Quittung an das emittierende Unternehmen zurückgegeben.
Die relevanten Kennzahlen von Schuldscheindarlehen sind:
Volumen: Der sinnvolle Minimalbetrag eines SSD sind 20 Mio. EUR, auch wenn Schuldscheine teilweise schon ab 10 Mio. EUR ausgegeben werden. Meist betragen die Volumina zwischen 50 und 150 Mio. EUR, um möglichst viele Investoren durch die Stückelung beteiligen zu können. Im letzten Quartal 2024 belief sich die durchschnittliche Größe auf 250 Mio. EUR und vereinzelt werden auch Darlehen von über 500 Mio. EUR vereinbart. Seit 2016 schwankt das globale Marktvolumen für SSD zwischen 20 und 30 Milliarden Euro bei jährlich rund 100 bis 150 Emissionen. Nach dem Rekordjahr 2022 war in den letzten beiden Jahren ein Rückgang bei Schuldscheindarlehen zu beobachten, mit 93 Emissionen und einem Gesamtvolumen von 19,87 Milliarden Euro im Jahr 2024.
Laufzeit: SSD haben eine feste Laufzeit von in der Regel drei bis sieben Jahren. Bei positiven Geschäftserwartungen können jedoch auch längere Laufzeiten vereinbart werden.
Tilgung: Die Tilgung ist normalerweise endfällig, das heißt, der Schuldner bedient während der Laufzeit nur die Zinsen und tilgt das Darlehen zum Fälligkeitsdatum. Ein freihändischer Rückkauf – also eine vorläufige Tilgung – ist häufig nicht möglich, weshalb die Zahlungsströme fest terminiert sind. Der Gläubigerseite wird aber meistens ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt, etwa bei Verzug der Zinszahlung oder drohender Unternehmensinsolvenz. Anders als bei vielen Anleihen ist dies zuteilen automatisch für den einzelnen Gläubiger möglich, hängt allerdings von den konkreten Vertragsbedingungen ab.
Zinssätze und Tranchen: Aufgrund der geringeren Handelbarkeit (Fungibilität) von Schuldscheinen verlangen Investoren einen Zinsaufschlag von circa 0,25 % bis 0,5 % im Vergleich zu Anleihen. Bei geringer Bonität kann dieser Spread auch höher sein. Der Zins orientiert sich am Kapitalmarktsatz für ähnliche Risikoklassen und wird zudem je nach Kreditvertrag fest oder variabel gestaltet werden. Auch die einzelnen Tranchen der Rückzahlung können je nach Laufzeit in ihren Zinssätzen variieren.
Sicherheiten und Ratings: Im Regelfall sind keine Sicherheiten des Schuldners erforderlich, da Gläubiger im Vertrauen in die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens Schuldscheine kaufen. Zudem können sie bei Zahlungsausfällen ihre vertraglichen Rechte geltend machen. Folglich legen Investoren viel Wert auf die Bonität und Geschäftsaussichten des Unternehmens, und anders als bei Anleihen wird eine Mindestbonität des Kreditnehmers vorausgesetzt. Aufwändige externe Ratings werden allerdings nicht verlangt, auch wenn immer mehr Unternehmen diese aufweisen (30 % im letzten Quartal 2024).
- Prozess der Schuldscheinbegebung: Im Vergleich zu anderen Finanzierungsinstrumenten entfallen beim Schuldschein die meisten Transparenz-, Berichts- und Ratingpflichten. Daher ist mit 8-10 Wochen die Schuldscheinausgabe schnell abgewickelt und auch die Werbephase fällt mit einer bis vier Wochen kurz aus.
Das globale Marktvolumen von Schuldscheinen lag 2024 mit einer Neuausgabe von 20,7 Mrd. EUR zwar 9 % unter dem Vorjahresschnitt, zeigt sich aber nach Angaben der LBBW – einem Arrangeur auf dem Markt – resilienter als andere Finanzinstrumente.
Schuldscheine sind bisher ein traditionell deutsches Finanzprodukt mit einem Anteil der DACH-Länder von 79 % für 2024. Verstärkt stoßen SSD jedoch auch international auf Interesse, vor allem im europäischen Ausland.
Für welche Unternehmen eignen sich Schuldscheindarlehen?
Grundsätzlich sind Schuldscheine ein geeignetes Finanzierungsinstrument für mittelständische Unternehmen, die sich nicht am Anleihenmarkt finanzieren können oder wollen. Aber auch international agierende Großunternehmen greifen für die Finanzierung größerer Investitionsprojekte auf SSDs zurück, was sich in einem zunehmenden Durchschnittsvolumen der SSD niederschlägt. Traditionell finanzieren sich mittelständische Unternehmen und KMU circa zur Hälfte aus Eigenmitteln, zu einem Drittel mit Bankkrediten und zu 10 bis 15 % mit Fördergeldern. Der Rest entfällt auf weitere Instrumente wie Mezzanine-Kapital und SSD.
Besonders vorteilhaft für mittelständische Unternehmen ist, dass im Gegensatz zu Anleihen (1) die Informationspflichten nur gegenüber dem Vertragspartner gelten, also vertraulich sind, (2) keine Genehmigung durch die BaFin, Sicherheiten oder öffentliche Ratings erfordert werden und (3) Schuldscheine aufgrund der geringen „Fixkosten“ für die Darlehensaufnahme auch bereits bei geringem Volumen sinnvoll sein können. Zudem sind (4) die Vertragsgestaltung flexibler und (5) die Laufzeiten länger als bei vielen Bankkrediten. Vor allem die bürokratiearme und schnelle Schuldscheinbegebung wird häufig als der entscheidende Vorteil gegenüber anderen Finanzierungsinstrumenten genannt.
Investoren setzen jedoch eine gute Bonität des Unternehmens voraus, wie sie im Mittelstand etwa die Hidden Champions erfüllen. Die Unternehmen sollten langfristig finanziell stabil sein, da im Krisenfall die notwendige Einigung mit jedem individuellen Gläubiger und die strengen vertraglichen Verpflichtungen die Restrukturierung erschweren. Zudem ist die Liquidität begrenzt, da Schuldscheine in der Regel nicht handelbar sind und es keinen öffentlichen Markt, z.B. eine Börse, zum Handel von Schuldscheinen gibt.
Nach den LBBW-Zahlen stellen Unternehmen aus der klassischen Industrie (Grundstoffe, Chemie, Baubranche etc.) mit 24 % den größten Anteil bei der Ausgabe von Schuldscheinen. Nichtzyklischer Konsum und Dienstleistungen machen rund 13 % aus, gefolgt von der Automobilbranche und dem Energiesektor mit jeweils 11 % und 8 %. Angaben der Hessischen Landesbank zufolge, welche eine andere Klassifizierung nutzt, waren 2024 die meisten SSD-Emittenten Versorgerunternehmen, gefolgt von industriellen Dienstleistern und Firmen aus den Bereichen Technologie, Automotive, industrielle Güter und Handel.
Wie können Schuldscheindarlehen für die Transformationsfinanzierung genutzt werden?
Schuldscheindarlehen können als flexibles und oft langfristiges Finanzierungsinstrument genutzt werden, um umfangreiche Veränderungs- oder Modernisierungsprozesse in Unternehmen zu unterstützen. Insbesondere dienen sie als Ergänzung zur bereits bestehenden Finanzierung mittelständischer Unternehmen aufgrund ihrer
- Flexibilität: Durch die freie Vertragsgestaltung lassen sich die Tranchen der Zinszahlung und Laufzeiten frei gestalten, etwa wenn die Investitionen in nachhaltigere Technologien eine gewisse Vorlaufzeit erfordern. Hierdurch können sie auch zur Refinanzierung weiterer Fremdkapitalinstrumente genutzt werden.
- Langfristige Perspektive: Durch die langfristige Kapitalbindung von Schuldscheinen lassen sich Investitionen in Energieeffizienz und Dämmung oder digitale Infrastruktur, welche sich erst nach einigen Jahren amortisieren, finanzieren.
- Zugang zu alternativen Finanzquellen: Schuldscheindarlehen eröffnen mittelgroßen Unternehmen mit einem erhöhten Finanzierungsbedarf für die Transformation einen weiteren Investorenkreis – institutionelle Anleger. Wenn klassische Bankkredite den Bedarf nicht decken können, muss daher nicht direkt auf den Anleihemarkt zurückgegriffen werden.
Insbesondere für den Umbau zur Klimaneutralität haben sich in den letzten Jahren zwei Sonderformen des Schuldscheindarlehens etabliert:
(1) Bei Green-linked oder ESG-linked Schuldscheinen ist der Zinskupon an Nachhaltigkeitskriterien und Key Performance Indices (KPIs) des Unternehmens gekoppelt. Das heißt, wenn sich die Nachhaltigkeit des Unternehmens verbessert, verringert sich dessen Zinslast. Häufig wird die Erfüllung dieser von externen Agenturen geprüft. Im vergangenen Jahr machte diese Form circa 12 % des Gesamtmarktes aus, ein starker Rückgang von den circa 40 % in 2022 und 33 % in 2023. ESG-Deals stehen somit wieder auf dem Level von 2020 (siehe Abbildung 1).
Strittig ist, ob sich durch die erweiterten Berichtspflichten von Unternehmen im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) dieser Trend fortsetzen wird oder ein Comeback der ESG-linked Schuldscheine zu erwarten ist. Sollte durch die CSRD ein direkter Einbau von Nachhaltigkeitskriterien weniger erforderlich sein, dürfte sich die Nachhaltigkeit eines Unternehmens zukünftig direkt in den ausgehandelten Zinsen widerspiegeln. Andererseits erleichtert die erhöhte Transparenz durch die CSRD die Nutzung sowohl indikatoren- als auch zweckgebundener Strukturen.
(2) Dafür steigt seit 2020 der Anteil von Green Schuldscheinen, bei welchen die Mittelverwendung direkt an ein Nachhaltigkeitsprojekt gebunden ist. Der rechtliche Rahmen für diese orientiert sich häufig an den Green Bond Principles (GBP) für Anleihen, wodurch diese auch für die Bilanzierung grüner Investitionen für die Gläubiger von Interesse sein könnten. Im vergangenen Jahr betrugen diese zweckgebundenen Strukturen 8 % aller SSD-Ausgaben. Dabei scheint das Angebot an grünen SSD nicht die Nachfrage zu decken: So wurde der erste grüne Schuldschein der Stadt Köln im Jahr 2024 trotz einer Erhöhung des Volumens dreifach überzeichnet
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Schuldscheindarlehen in der Transformationsfinanzierung als ein wesentliches Instrument dienen können, um die finanziellen Ressourcen für notwendige Anpassungen und Modernisierungen bereitzustellen. Ihre Flexibilität, lange Laufzeit und maßgeschneiderte Vertragsbedingungen machen sie zu einer attraktiven Option für Unternehmen, die sich im Wandel befinden – sei es im Zuge der digitalen Transformation, der Umstellung auf nachhaltige Geschäftsmodelle oder anderer strategischer Neuausrichtungen.